08.04.2020

Flughöhe wechseln - die Unternehmersicht

Gut zwei Wochen Kontaktsperre liegen mittlerweile hinter uns. Bei den meisten Menschen in meinem Umfeld hat sich die erste Aufregung gelegt und es stellt sich langsam eine neue Routine ein.

Das ist eine gute Gelegenheit einmal die Flughöhe zu wechseln. Nachdem ich bisher den Fokus konkret auf Beispiele zur Organisation der Homeoffice-Arbeitsplätze und auf ganz individuelle Führungsfragen gelegt habe, möchte ich heute über unterschiedliche Strategien zum Umgang mit der Krise aus der Sicht von Unternehmern schreiben. Und auch hier geht es um konkrete Beispiele, die ich real erlebt habe und noch erlebe.

Flughöhe wechseln - die Unternehmersicht

Beispiel 1 - Wie halten wir das Geschäft am Leben?

In diesem Fall handelt es sich um eine Trainingsunternehmen, das seit 20 Jahren existiert und sich mit den Themen Vertrieb und Vertriebsführung etabliert hat. Dementsprechend handelt es auch.

Da ist zum einen die Kommunikation in Richtung der Kunden. Regelmäßige Telefonate (oder Videokonferenzen?) mit den Ansprechpartnern helfen, deren Sorgen und Nöte zu verstehen. 

Auf der Produktschiene läuft die Maschinerie auf Hochtouren, um die bisherigen Standard-Präsenzseminare mit Online-Modulen zu ergänzen. Denn eines ist für dieses Unternehmen klar: Nach Corona wird das Geschäft anders laufen als vorher. Mehr Online, mehr Homeoffice, mehr Blended Learning… Und auch, wenn noch niemand sagen kann, wie genau das Geschäft laufen wird, werden so schon alle positiv darauf eingestimmt.

Ein Nebeneffekt ist, dass alle so beschäftigt sind, dass keiner Zeit zum Grübeln hat. Aktivität war schon immer ein gutes Mittel gegen trübe Gedanken.

Wie in unserer Branche üblich, arbeiten viele Freelancer mit diesem Unternehmen zusammen. Und die fallen trotz der stressigen Zeiten nicht hinten runter. Ganz im Gegenteil. In meinem Umfeld findet hier die intensivste Betreuung der „Lieferanten“ statt. Wöchentliche interne Weiterbildungen wurden organisiert. So lernen wir im praktischen Tun, wie wir mit den Online-Instrumenten umgehen können. Es gibt ein Mentoring-Programm, durch das Freelancer mit „Innendienstlern“ gekoppelt werden, so dass beide Welten eng miteinander verbunden bleiben. Und regelmäßig werden alle Partner über die Geschehnisse im Unternehmen auf dem Laufenden gehalten. Bis hin zu Motivationsbotschaften auch zu ungewöhnlichen Zeiten.

Auch wenn das manch ruhigerem Geist etwas „vertrieblich“ vorkommt, die Wirkung ist beeindruckend. Ohne Phrasen dreschen zu wollen, hier herrscht ganz klar eine „Wir-schaffen-das“-Mentalität…auf allen Ebenen. Vernetzte Kompetenz könnte als Überschrift über dieser Organisation stehen.

Beispiel 2 - Herz und Ohr immer am Menschen

Etwas anderes reagiert das zweite Trainingsunternehmen. In HBDI-Sprache gesprochen geht es hier ausgesprochen rot (mit einem ordentlichen Schuss gelb) zu. D.h. es geht klar um die am Geschehen beteiligten Menschen und um Beziehungspflege. Alles ist ein wenig emotionaler gehalten. Ergänzt um proaktive Ideen für die Zeit nach der Krise.

Gegenüber dem Kunden gibt es eine Reihe von Angeboten, die Führungskräfte bei der Umstellung auf Remotework und die Führung virtueller Teams pragmatisch zu unterstützen. Bei den Angeboten geht es in dieser Phase keineswegs nur um kostenpflichtige Veranstaltungen. Vielmehr sehen wir unsere Aufgabe in dieser Situation sehr klar in erster Linie in der Beziehungspflege und in der Sicherung der Arbeitsfähigkeit des Kunden. Da investieren wir auch schon einmal selbst Zeit und Aufwand.

Die interne Kommunikation ist weniger gesteuert als vielmehr gelegenheitsgetrieben. D.h. wenn ein Thema aufkommt, wird kommuniziert. Dann allerdings schnell und auf den Punkt. Gegenseitige Unterstützung und Wertschätzung werden groß geschrieben. Es gibt keine „Geheimnisse“ untereinander. Wenn ich helfen kann, helfe ich.

Das vorherrschende Gefühl ist: Ich bin nicht allein. Es gibt Menschen, die mir helfen.

Beispiel 3 - schnell reagieren und bilateral kommunizieren

Bei dem dritten Beispiel handelt es sich um eine Unternehmensberatung, die ihren Sitz in Bayern hat. Das ist deshalb interessant, weil die Bayern mit den Einschränkungen ja schon etwas vor anderen Regionen der Republik dran waren.

Der verantwortliche Geschäftsführer hat dementsprechend schnell und sehr konsequent gehandelt. Homeoffice wurde verordnet, als in NRW gerade einmal die Schulen geschlossen wurden. Und dass, obwohl die Infrastruktur des Unternehmens noch nicht wirklich für umfassende Fernarbeit ausgelegt war. Durch die frühe, schnelle und konsequente Entscheidung sind deutliche Ängste aufgekommen.

Die erfolgreiche Strategie des Geschäftsführers ist es, diese in häufigen Telefonkontakten anzusprechen und zu bearbeiten. Das führt zu einer Offenheit, die es möglich macht, wirklich „ans Eingemachte“ zu gehen und die aufkommende Unsicherheit und das Fehlen der Bürogemeinschaft aufzuarbeiten. Allerdings führt dieses Vorgehen auch zu einer hohen zeitlichen Belastung der Geschäftsführung.

In den regelmäßigen wöchentlichen Online-Meetings werden dann die operativen und eher sachlichen Themen aufgearbeitet. Es ergeben sich auch spannende Diskussionen darüber, wie sich die Denkweise der Kunden verändern wird. Wie wird in der Nach-Corona-Zeit der Begriff „Verschwendung“ definiert und bewertet werden? Wie definieren eine leane Produktion? Ist Bestand dann immer noch „böse“?

Die Kommunikation in Richtung Kunde läuft, wie es der Unternehmenskultur entspricht, eher dezentral ab. Die jeweiligen Projektleiter tun in dieser Hinsicht, was sie für erforderlich halten. Es wird davon ausgegangen, dass die Kunden zunächst mit sich beschäftigt sind und nicht wirklich den Kopf frei haben für Beraterkontakte.

Beispiel 4 - Netzwerk - Netzwerk - Netzwerk

Bleibt mein 4. Beispiel. Es handelt sich um eine Marketingagentur. Und wie man es von einem solchen Unternehmen erwarten würde, handeln sie schnell, kreativ und konzeptionell.

Bereits nach wenigen Tagen wurde eine Netzwerkveranstaltung ins Leben gerufen. Dreimal in der Woche trifft sich dieses Netzwerk online und diskutiert Fragestellungen, wie die Betroffenen Trainer, Coaches und Berater mit der Situation umgehen können. Ausgangspunkt ist dabei ein Konzept, dass die Agentur zur Krisenbewältigung erstellt hat. Dieses Konzept hat sie direkt am Anfang zur Verfügung gestellt und hält sich selbst daran. Walk the talk. Denn die Kernaussage ist, dass in dieser Anfangszeit der Krise nicht die Zeit fürs Geld verdienen ist. Vielmehr geht es jetzt darum, die Beziehungen zum Kunden aufrecht zu erhalten und zu signalisieren: „Ich bin auch in schwierigen Zeiten für dich da. Und lass uns erst einmal die Krise gemeinsam bewältigen und dann schauen wir, wie wir weitermachen.“

Die Umsetzung dieser Einstellung führt zu einer hohen Belastung der MitarbeiterInnen. Und gleichzeitig ist es einfach auch ein starkes Signal an die Kundschaft.

Fazit

Was ist nun mein Fazit aus diesen Beispielen? Was habe ich gelernt? Worin wurde ich bestärkt und was werde ich künftig anders machen?

Im Wesentlichen sind es drei Botschaften, die ich aus diesen Beispielen mitnehme und weitergeben möchte:

  1. Handle schnell und konsequent
  2. Kommuniziere viel und transparent
  3. Beziehung kommt vor dem Geschäft

Ich denke, wenn wir diese Prinzipien zum Krisenmanagement beachten, erfüllen wir die von Stefan Merath beschriebenen Hauptaufgaben des Unternehmers / der Führungskraft in Krisensituationen, nämlich Ängste zu nehmen und Selbstwirksamkeit erfahren zu lassen.

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