Homeoffice mit kleinen Kindern
Die Fragen im Vorfeld
Bevor es losging hatten mir die TeilnehmerInnen schon Fragen zugeschickt, die sie in ihrem Arbeits- und Führungsalltag beschäftigten. Bei diesen Fragen drehte es sich im Wesentlichen um:
- Homeoffice mit kleinen Kindern
- Umgang mit Unsicherheit bei den MitarbeiterInnen
- Motivation und Teamspirit
- Kontrolle, ohne zu demotivieren
In den nächsten Blogbeiträgen werde ich darüber schreiben, welche Antworten wir zu diesen Fragen erarbeitet haben.
Homeoffice mit kleinen Kindern
Um eines vorweg zu nehmen: Es beginnt alles mit der Akzeptanz der Situation. Niemand von uns hat Covid-19 bestellt. Und niemand hat sich gewünscht unter diesen Umständen, teilweise so plötzlich, ins Homeoffice zu gehen. Somit waren weder die MitarbeiterInnen noch die Prozesse und teilweise auch nicht die Arbeitsmittel auf diese Situation eingerichtet. Ein Leistungsniveau wie in Präsenzzeiten zu erwarten ist also aus schon aus diesen Gründen in den meisten Fällen unrealistisch.
Darüber hinaus gehört Homeoffice mit kleinen Kindern sicherlich für die Betroffenen, besonders für die Alleinerziehenden, zu den belastendsten Momenten in dieser ganzen Corona-Zeit. Die Eltern, besonders von jüngeren Kindern, stehen in einem permanenten Wertekonflikt. Kind oder Arbeit? Was hat in genau diesem Moment Priorität? Hinzu kommt, dass viele Eltern auch darunter leiden, dass sie in dieser Situation nicht die Konzentration und Arbeitsleistung erbringen können, die sie gewohnt sind. Das wiederum erzeugt nicht selten Ängste um den Arbeitsplatz oder zumindest um Konflikte in der Zusammenarbeit mit dem Team.
Sicher kommen viele Eltern auch mit dieser Situation gut zurecht. Es gelingt ihnen, Struktur in den Tag zu bringen, Zeiten der Arbeit und der Kinderbetreuung zu trennen. Sie finden Verständnis bei ihren Teams für besondere Regeln oder haben einfach eine sehr flexibel zu organisierende Arbeit. Auch das Alter der Kinder und die Wohnverhältnisse spielen bei der Lösungsfindung eine entscheidende Rolle. Es wird ja nicht leichter mit „großen“ Kindern – da geht es nicht um die Beaufsichtung (Schere, Messer, Feuer Licht, …) sondern um Homeschooling und dass Eltern nebenbei noch viel stärker für das Leistungsniveau der Kinder in der Schule verantwortlich sind: schlechtes Gewissen wenn das Kind den Anschluss verpasst? Kompetenz der Lehrer mit abdecken? Dem Kind „einheizen“ damit es die Aufgaben abarbeitet? Selbst den Unterrichsstoff verstehen?
Freuen Sie sich, wenn Sie zu den Glücklichen gehören, denen die Bewältigung all dieser Aufgaben gelingt und lassen Sie Ihre KollegInnen an Ihren Lösungen teilhaben. Tauschen Sie sich darüber aus, was warum bei Ihnen gut funktioniert. Die Situationen der Eltern und Kinder sind so unterschiedlich, dass es auch hier keine Musterlösungen geben wird. Aber je mehr Lösungen im Umlauf sind, desto eher ist eine passende Idee für jeden dabei.
Drei Wege, mit der Situation umzugehen
Für die Führungskräfte ist nicht immer gleich klar, was hinter der Situation und eventuell dem Leistungsabfall des Mitarbeiters steht.
Ist der Mitarbeiter mit der aktuellen Doppelbelastung schlichtweg überfordert? Hat er den Überblick verloren und springt unkoordiniert zwischen den Aufgaben hin und her?
Oder ist die Mitarbeiterin bemüht und hat sich, den Umständen entsprechend sauber organisiert? Fehlt es in diesem Fall einfach nur an Ressourcen?
Oder nimmt die Mitarbeiterin die Situation als Entschuldigung für nicht erbrachte Leistungen und fehlerhafte Ergebnisse? Frei nach dem Motto: „Ich habe ein Kind zuhause. Es geht halt nicht besser.“
Im ersten Fall hilft erst einmal nur das Herabsenken der Stressfaktoren. Ruhe in das System bringen, Arbeitslast reduzieren, Urlaubstage nehmen oder Überstunden abfeiern. Ggf. auch Minusstunden aufbauen. Dann mit den Kindern eine Struktur finden. Einen Tagesrhythmus, der es erlaubt an Regelmeetings teilzunehmen und regelmäßige Phasen des konzentrierten Arbeitens zulässt. Wo das absolut nicht möglich ist, müssen Sonderregelungen getroffen werden. Das können z.B. Arbeitszeiten sehr früh am Morgen oder sehr spät am Abend sein. Auch wenn das nicht 100%ig in den Arbeitsablauf des Teams passt.
Der zweite Fall ist der Wunsch jeder Führungskraft. Verantwortungsvolle Mitarbeiter, die sich um Lösungen bemühen und auch in der Lage sind, solche zu schaffen. Hier gilt es zu schauen, ob weitere Ressourcen verfügbar sind und unterstützen können. Ansonsten muss ich als Führungskraft sehen, wie ich die eventuell auftretende Minderleistung organisatorisch auffangen kann. Kann ich Aufgaben umverteilen und so z.B. Eltern entlasten und Nicht-Eltern stärker belasten.
Die schwierigste Variante ist sicherlich der dritte Fall. Glücklicherweise erlebe ich diesen Fall als Ausnahme. Nichtsdestotrotz ist er für alle Beteiligten sehr belastend, wenn er auftritt. Deshalb möchte ich hier auch darauf eingehen.
Der erste Schritt ist, ein Gespräch über die gegenseitigen Verantwortlichkeiten zu führen. Nur mit gegenseitiger Unterstützung können wir heil aus dieser Krise kommen. Das Unternehmen hält zu dir, sorgt dafür, dass dein Arbeitsplatz bestehen bleibt und dass dein Einkommen gesichert ist. Du findest Wege und Lösungen, deine Aufgaben im Team sauber abzuarbeiten. Wenn es erforderlich ist, sicherlich auch mit Unterstützung der Führung und des Teams.
Meine Auffassung ist, dass auch und gerade in diesen schwierigen Zeiten erwartet werden kann dass Mitarbeiter sich proaktiv um Lösungen bemühen. Dass sie Initiative zeigen und versuchen, ihre Führungskräfte zu entlasten. Dass sie Probleme frühzeitig ansprechen und sich vorab schon Gedanken zur Lösung machen. Das sie also mit Ideen und Vorschlägen kommen und nicht nur einfach ihre Probleme, die sie unzweifelhaft haben, bei ihrer Führungskraft abladen.
Die Analyse ist nicht leicht
Für die Führungskraft ergibt sich die Schwierigkeit, einzuschätzen, welche dieser 3 Situationen sie vor sich hat, wenn ein Mitarbeiter nicht die erwartete Leistung zeigt. Eines ist dabei klar: In Teammeetings oder per Email kann ich das nicht klären!
Hier ist persönlicher (nicht physischer) Kontakt in einer 1zu1-Situation erforderlich. Nur in einem Einzelgespräch habe ich die Chance auf die erforderliche Offenheit im Gespräch. Sowohl auf Seiten der Mitarbeiterin als auch auf Seiten der Führungskraft.
In diesem Einzelgespräch - nach Möglichkeit mit Videounterstützung - kann ich dann, wie im richtigen Leben auch, über gute Fragestellungen die erforderlichen Informationen sammeln. Aus dem Fundus guter Fragestellungen möchte ich hier nur zwei herausgreifen, die nach meinem Kenntnisstand zum Grundrepertoire von Götz Werner, dem Gründer der Drogeriemarktkette DM, gehören:
Was haben Sie sich selbst schon dazu überlegt?
Welchen Mehrwert soll ich dazu beitragen?
Diese beiden Fragen eignen sich aus meiner Sicht hervorragend, um das eigene Bemühen der Mitarbeiter zu erkennen und Rückdelegationen zu vermeiden.
Ein Sonderfall
„Was mache ich, wenn der Mitarbeiter nicht über seine Situation zuhause sprechen möchte?“
Nun, mein erster Gedanke zu dieser Frage ist, einmal in sich zu gehen und zu prüfen: „Hat wirklich der Mitarbeiter diesen Widerstand? Oder bin ich es, der sich vor diesem Thema scheut?“
In jedem Fall gilt natürlich das Recht auf Privatsphäre. Und solange die Arbeitsleistung passt, kann ich die auch sehr einfach respektieren.
Wenn aber die Leistung nicht passt und ich die Vermutung habe, dass das mit der häuslichen Situation zu tun hat, habe ich m.E. die Pflicht, dies mit dem Mitarbeiter anzusprechen. Dabei würde ich aber vorsichtig vorgehen. Entweder eine Frage stellen: „Kann es sein, dass dein Leistungsabfall etwas mit deiner Homeoffice-Situation zu tun hat? Wie kommst du eigentlich mit der Homeoffice-Situation zurecht? Wie löst du das denn mit der Kinderbetreuung?“. Oder ich nutze ein Label: „Deine Homeoffice-Situation scheint dich nicht glücklich zu machen. Anscheinend verursacht deine Homeofffice-Situation doch mehr Stress als du gehofft hattest.“
Blockt der Mitarbeiter bei diesen Fragen, würde ich ihn nach Erklärungen fragen und ggf. Lösungen von ihm einfordern. „Ok, wenn du sagst, das hat nichts mit der Homeoffice-Situation zu tun, wie erklärst du dir dann deinen Leistungsabfall?“. „Ok, ich kann akzeptieren, dass du darüber nicht sprechen willst. Dann erwarte ich allerdings, dass du mir eigenständig eine Lösung bringst. Wenn du dazu Unterstützung möchtest, sprich mich bitte an.“
In dem Moment wo das Leistungsverhalten nicht den (angepassten) Erwartungen entspricht, habe ich als Führungskraft das Recht und die Pflicht nach den Ursachen zu fragen. Nur so kann ich dem Mitarbeiter die Unterstützung anbieten, die er benötigt. Verzichtet er auf die Unterstützung, steht er in der Pflicht eigenständig für eine Lösung zu sorgen.
Strategisch kann ich die Offenheit zur persönlichen Homeofficeorganisation fördern, wenn ich frühzeitig z.B. in Teammeetings Einblick in meine eigenen Herausforderungen und Lösungen gebe und das Team nach deren Lösungen befrage. Je früher und allgemeiner ich diese Themen starte, desto natürlicher wird der Umgang damit.
Zusammenfassung
- Homeoffice mit kleinen Kindern gehört zu den physisch und psychisch belastendsten Arbeitssituationen für Eltern.
- Für Führungskräfte ist dies ebenfalls eine heikle Situation, da viele Emotionen im Spiel sind und sie das Geschehen nur aus der Ferne bewerten können. Niemand möchte als schlechtes Elternteil dastehen, und weder vor dem Chef die Kinder an die erste Stelle stellen noch dazu stehen dass der Job vor den Kindern steht.
- Ohne Struktur geht nichts. Auch, und vor allem, mit kleinen Kindern muss ich einen Rhythmus in den Arbeitstag bringen. Dieser darf sich von einem „normalen“ Arbeitsrhythmus unterscheiden. Dann brauche ich Absprachen im Team.
- Eine gezielte Unterstützung der Eltern ist nur über Einzelgespräche möglich, in denen offen gesprochen wird. Wie im richtigen Leben gilt hier: Klare Formulierung von (miteinander ausgehandelten) Erwartungen und das Angebot von Unterstützung.