05.08.2019

Von der operativen zur strategischen Führungskraft

Schauen wir uns einmal an, wie der Karriereweg einer Führungskraft aussieht. Kaum jemand wird als Führungskraft in das Berufsleben einsteigen. In der Regel müssen wir erst einmal unter Beweis stellen, dass wir irgendein Fach wirklich gut beherrschen, bevor eine Organisation auf die Idee kommt, uns Führungsverantwortung zu übertragen. Und wir müssen dieses Fachkönnen auch irgendwie wirksam machen. In der Regel gelingt uns das, wenn wir uns selbst gut organisieren und uns in das Unternehmen einbringen. Das heißt, bevor wir andere führen dürfen, müssen wir erst einmal lernen, uns selbst zu führen. Oder wie Hartmut Otto Netzel, mein Kompaniefeldwebel vor 38 Jahren zu mir sagte: „Wer befehlen will, muss erst einmal gehorchen lernen.“

Von der operativen zur strategischen Führungskraft
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Die operative Führung

Gehen wir nun davon aus, dass wir unser Fach beherrschen und uns fortan mit einer Menge Menschen konfrontiert sehen. Vielleicht haben wir Glück und die Zahl unserer Mitarbeiter ist überschaubar, sodass wir schnell jeden Einzelnen persönlich kennengelernt haben … Leider war dies bei einer meiner Coachees nicht der Fall. In ihrer ersten Führungsposition wurde sie sogleich mit über 30 neuen Mitarbeitern konfrontiert. Da braucht man schon einen kühlen Kopf, um den Überblick zu behalten. Wie Führungskräfte eine solche Erstaufgabe bewältigen können, ist jedoch das Thema für einen späteren Blogbeitrag. Nur so viel sei angemerkt: Wie jedermann nachvollziehen kann, ist hier eine deutliche Ausweitung der Perspektive erforderlich. Wenn wir als Führungskraft jetzt keine Weite entwickeln können, bleiben wir unweigerlich auf der Strecke. Entweder scheitern wir im außen oder überlasten uns komplett … oder gar beides.

Gehen wir aber einmal davon aus, dass wir als Führungskraft die erforderliche Weite entwickeln und den Wandel erfolgreich bewältigen. Wir beherrschen sowohl unsere fachliche Perspektive als auch den Umgang mit den uns anvertrauten Menschen. Wir sind operativ erfolgreich. Alles läuft gut, bis wir uns einer neuen Herausforderung stellen müssen: einer strategischen Aufgabe.

Die strategische Führung

Worin liegt nun der Unterschied? Eine strategische Aufgabe kann auf den unterschiedlichsten Dimensionen mehr Weite erfordern. Da ist zum einen die Internationalität und Interkulturalität. Und damit meine ich nicht nur, dass wir in einem deutschen Unternehmen ein internationales Team führen. Hierbei herrscht oft eine ‚Unternehmenskultur‘ vor, an der sich alle ausrichten. Vielmehr geht es darum, mit unterschiedlichen Organisationseinheiten oder Kunden in unterschiedlichen kulturellen Kontexten wirksam zu kommunizieren. Wir müssen auf die verschiedensten Arten und Weisen unsere Wirksamkeit zeigen.

Halten wir uns nun vor Augen, dass jeder nachhaltig wirksame Einfluss mit dem Verstehen anfängt, wird deutlich, dass dies eine enorme Herausforderung sein kann. Hilfreich ist dabei der Leitsatz, den wir schon bei der Beschreibung der Sowohl-als-auch-Haltung kennengelernt haben: Verstehen ist nicht gleich Einverstanden sein. Wenn ich nun verstanden habe, worum es meinem Kommunikationspartner geht, muss ich auch in der Lage sein, meine eigene Auffassung, meine Ideen in eine Sprache zu bringen, die wiederum der andere verstehen kann.

Ein weiterer Aspekt bei der Übernahme einer strategischen Führungsposition kann fachliche Vielfalt sein. Plötzlich haben wir es nicht nur mit technischen Themen zu tun, sondern es kommen auch noch finanzielle oder Marketingaspekte hinzu. Es geht nicht mehr nur darum, eine technisch hervorragende Lösung zu entwickeln, sondern wir müssen uns auch noch Gedanken machen, wie wir sie verkaufen können.

Daher ist klar, dass wir als Führungskraft immer mehr Abstand zu den fachlichen Themen gewinnen. Wir können einfach nicht mehr Experte auf allen Gebieten sein. Deswegen müssen wir uns immer mehr unseren Führungsthemen widmen. Wir müssen zunehmend Entscheidungen treffen, die unserem Team den Rücken freihalten und es flexibel arbeiten lassen. Und wir brauchen immer mehr ein starkes Team, auf das wir uns 100%ig verlassen können.

Das führt natürlich auch zu einem immer größeren Abstand zu der operativen Basis. Und damit verbunden ist oft auch der Abschied von dem Gefühl der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe von Menschen. Wir sind nicht mehr Controller, Ingenieur oder Verkäufer. Am ehesten sind wir jetzt General Manager. Für alles verantwortlich. Und dabei darf der Kontakt zum Team nicht abbrechen. Eine heftige Gratwanderung.

Strategisches Netzwerken

Eine neue Aufgabe, die vielen meiner Coachees schwerfällt, ist das strategische Netzwerken. Um zu verstehen, wie die Menschen in anderen Unternehmensbereichen denken und handeln und einen Überblick darüber zu erhalten, was übergreifend in unserer Organisation alles passiert, sollten wir systematisch Kontakte aufbauen und pflegen. Das hat überhaupt nichts mit dem Ausnutzen von Kontakten zu tun. Vielmehr sollte dieses strategische Netzwerken geprägt sein von echtem Interesse an übergreifenden Themen und der Frage, wie wir mit unserem Team nützlich für andere sein können.

Wir sehen also, der Übergang von operativen zu strategischen Aufgabenstellungen ist alles andere als simpel. Es ist mehr als nur eine quantitative Ausweitung der Aufgaben. Vielmehr geht es um eine qualitative Anpassung meines Denkens und Handelns als Führungskraft.

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